The SpecialArt

Studio

Stay in contact
Gianni Lercari Vatikan

VATIKAN


Es geschieht mit einer gewissen Regelmäßigkeit unter der Sonne Roms und zwar kurz von der Weihnachtszeit:
Ein riesiger Tannenbaum wird auf den St. Peter Platz gebracht – die Erinnerung an die abenteuerliche Errichtung des Obelisken auf demselben Platz im Anno Domini 1586 mit all den Schwierigkeiten, Tausenden von beschäftigten Arbeitern und einigen Monaten Leistung ist irgendwie nahe liegend – und neben der großen Krippe positioniert. In der Regel ist dieser Tannenbaum das Geschenk von einem katholischen Land, so zu sagen eine Hommage an die Machtstätte des Christentums.

Somit verwandelt sich der weite halbrunde Platz in eine merkwürdige Landschaft, in der Alt und Neu sich mischen: Der Geburtsort Jesus wird choreographisch dargestellt mit Hütte, Esel, Ochs, Maria und Josef und ein paar Hirten, die Flöte spielen; die drei Könige sind immer frühzeitig an Ort und Stelle und ein Engel schwebt mit hellblauem Gewand zwischen Tannenbaum und glitzerndem Stern auf dem Dach. Daneben Touristen , uniformierte Gesetzeshüter, Autos die einige Meter entfernt vorbeifahren und der Geruch des Weihrauchs.

Mit ein bisschen Phantasie, wenn man die ganze imposante Szene betrachtet und die Atmosphäre der kommenden Festtage erlebt, könnte man sich durchaus Folgendes vorstellen:

Wie wäre es wenn man den ganzen Platz, also die Wiege des katholischen Heiligtums, in ein riesiges Skigebiet verwandeln würde?
Eigentlich ist Schnee in Rom nicht gerade häufig, aber die Schneekanonen könnten einiges leisten; es wäre doch unheimlich toll mit den Skiern von der Kuppel des St. Peter Dom hinunter zu sausen – der Höhenunterschied könnte schon reizvoll sein – und dann schnell entlang der Via della Conciliazione bis zum Tiber zu gleiten.
Das würde eine einmalige touristische Neuheit präsentieren, sicherlich der Trend des neuen Millenniums.

Natürlich sollten zahlreiche Skilehrer mit echtem Priester-Anzug für die verschiedenen Ski-Pilger zur Verfügung stehen und ihnen zwischen einem Gebet und dem anderen den Slalom durch die 300 Säulen der Bernini Kolonnade beibringen.
Das alles vor den Augen der steifen Schweizergarde, die mit Genuss mitmachen möchte, wäre es bloß nur, dass für sie kein strenges Skiverbot bestehen würde.

Man könnte außerdem über einen tollen Skipass verfügen inklusiv Langlauf in den Vatikanischen Gärten – bei der Gelegenheit ausnahmsweise zugänglich mit Zuschlag
–mit einmal Abfahrt von dem Obelisken mit Schneebar auf der Spitze, einmal Kombination vom barocken Brunnen zum barocken Brunnen und Snow-board Contest zwischen den riesigen Statuen auf dem oberen Teil der Kirchenfassade.

Als Zusatzangebot Paragliding (mit Skiern) mit Start am Gipfel der Kuppel und Landung auf der Engelsburg, Après-Ski ohne Aperitif und Sonderauszeichnung mit Unterschrift eines der endlosen purpurroterscheinenden Kardinäle die, mit vorwiegend ernsten Gesichtern (das Lachen könnte durchaus als Sünde interpretiert werden) die notwendige Spende für ein solches Ereignis kassieren und die persönliche Segnung erteilen würden.

Um zwölf Uhr Pause. Es ist nämlich die Zeit in der das berühmte Fenster auf der rechten Seite der Basilika geöffnet wird, der rote Teppich ausgerollt und ausgehängt und der Heilige Vater die traditionelle „Urbi et Orbi“ in fünfundzwanzig Sprachen via Lautsprecher ausspricht.
Applaus, Applaus als der Teppich wieder eingezogen und das Fenster wieder geschlossen wird und dann alle nach Hause, da das leibliche Wohl eben so wichtig ist wie das geistige.

Die Phantasie ist eine große Gabe des Menschen und eine große Macht auch;
die Menschen des Vatikans haben viel von der letzteren, vielleicht ein bisschen weniger von der ersten.

Der kleinste Staat der Welt erreicht nicht einmal 1 Quadratkilometer, besitzt dafür aber 100 km Geheimarchive, verlor in der Marcinkus-Bankaffäre über 240 Millionen US-Dollars, verwaltet das reichste Museum das es gibt mit 40.000 qM Fläche, ist steuerfrei, und die 800 Bewohner genießen viele Annehmlichkeiten aber dürfen abends nicht hinausgehen.

Das Oberhaupt dieser Machtzitadelle ist der Papst, welchem drei Hauptbereiche unterliegen: Er ist nämlich gleichzeitig der Bischof von Rom, der Pontifex Maximum der Römisch-Katholischen Kirche und der politische Chef des Vatikanstaates.

Dass Johannes Paulus II eher ein Politiker als ein Hirte der Seelen ist, bewiesen die zahlreichen Veränderungen die Schlag auf Schlag seit dem Anfang seines Amtsantrittes vollzogen wurden; was mit dem vorigen gewählten Johannes Paulus I eigentlich geschah, ist heute noch sehr umstritten und die Wahrheit wird sehr wahrscheinlich nie ans Licht kommen:
Am 29. September 1978, drei Monate nach dem weißen Rauch aus der Sixtinischen Kapelle, fand man ihn leblos in seinem Zimmer; Herzinfarkt war die offizielle Todesursache, aber viele waren anderer Meinung. Die Erinnerungen an die Intrigen der Renaissance wurden plötzlich wieder wach und zwar an die Zeit in der Gift üblich war und die vatikanischen unterirdischen Gänge in den Tiber und zu den importierten hungrigen Krokodilen führten.
Aber trotz dem dramatischen Augenblick spendete keiner viele Worte darüber, weder die allmächtige „Osservatore Romano“, offizielles Presseorgan der Kirche seit 1851 noch das Vatikanische Radio; andere Medien plagten sich mit Spekulationen, aber langsam flaute alles ab, und der Vatikan feierte noch einmal mit weißem Rauch die Ernennung aus dem Konklave, und der Alltag kehrte wieder zurück.

Seit Jahren werden die öffentlichen Bereiche des Vatikans (weite Teile der Gebäude und die gesamten Gärten sind privat) von über 7000 Besuchern pro Tag aufgesucht, sei es das Ziel, einmal im Leben nach Rom zu pilgern oder die Sixtinische Kapelle zu bewundern oder die prunkvollen Museen zu bestaunen und sich neben der Schweizergarde fotografieren zu lassen.

Wie es oft der Fall ist, wird das Heilige mit dem Heidnischen vermischt, und das Geheimnisvolle einer langen Geschichte wirkt zwischen den Meisterwerken die der Ewigkeit angehören, der Faszination einer prunkvoll gesungenen Messe, einem event mit Musik und Feuerwerken und einem litaneiartigen Gebet in einer gewölbten Seitenkapelle.

Unabhängig vom Zweck eines Vatikanbesuchs trägt jeder den Wirbel von Bildern und Eindrücken mit sich, welche zwischen Himmel und Erde schweben, ikonographisch beeindruckend, fast unantastbar in den Dogmen des Glaubens; dann hebt sich die Hand des Papstes und zeigt Güte und Frieden für alle Menschen auf dieser Welt, die gelb-weiße Fahne mit der Mitra des Heiligen Stuhls weht in dem römischen Ostwind, die Glocken läuten und einige Sekunden lang fühlt man sich leichter, als ob die Flügel eines der Engel, die die St. Peters Basilika bewachen uns abheben und mit uns eine Runde fliegen würde.

Gianni Lorenzo Lercari


nextHomepage
next
zu unserer
Community
für Informationen per eMail
(Daten werden nicht für Werbung verwendet)